Zosse (Deutsch) Bearbeiten

Substantiv, m Bearbeiten

Singular Plural
Nominativ der Zosse die Zossen
Genitiv des Zossen der Zossen
Dativ dem Zossen den Zossen
Akkusativ den Zossen die Zossen

Nebenformen:

[1–3] Zossen
[1, 2] Zosschen
[3] Zosselchen

Worttrennung:

Zos·se, Plural: Zos·sen

Aussprache:

IPA: [ˈt͡sɔsə]
Hörbeispiele:   Zosse (Info)
Reime: -ɔsə

Bedeutungen:

[1] landschaftlich salopp bis abwertend, besonders Berlin, Brandenburg, Schlesien historisch: als Haus-, Nutz-, Reit- und Zugtier gehaltener großer Einhufer (Equus caballus)
[2] landschaftlich, besonders Mecklenburg, Thüringen: erstklassiges Exemplar des unter [1] beschriebenen Einhufers
[3] landschaftlich, besonders Berlin, Brandenburg, Mecklenburg, Thüringen: altes, altersschwaches, gebrechliches, minderwertiges Exemplar des unter [1] beschriebenen Einhufers

Herkunft:

Das zunächst soldatensprachlich (1870/71)[1] bezeugte Wort geht über rotwelsche Formen wie unter anderem Zußgen / Zoßgen (18. Jahrhundert), Zossen, Zosse, Sussealter Droschkengaul; Pferd[2][3][4] auf westjiddische Formen wie zosse(n) m / f,[5] zusse(n) m / f,[5] zuss / zuß n[5][6] und סוס‎ (YIVOsus) → yi nPferd[5][6] zurück,[3][7] denen ihrerseits das hebräische סוּס‎ (CHA: sūs) → he mPferd[8] zugrundeliegt.[3][4][7]
Bereits im Westjiddischen und vor allem im Deutschen wird Samech im Anlaut in vielen Fällen zu [t͡s] (vergleiche beispielsweise Zimt, Zoff).[9]

Synonyme:

[1] Pferd
[1] besonders mittel- und süddeutsch, sonst veraltend: Gaul
[1] umgangssprachlich scherzhaft: Hafermotor
[1] süddeutsch, Österreich, Schweiz: Ross
[1] Deutschland landschaftlich: Suschen / Susemchen
[1, 3] Deutschland landschaftlich: Sus, Tschuss, Zus

Sinnverwandte Wörter:

[2] gehoben: Ross
[3] abwertend: Gaul, Gorre / Gurre, Klepper, Schindmähre; selten: Schinder
[3] mittel- und norddeutsch: Kracke
[3] veraltend: Mähre
[3] bildungssprachlich scherzhaft selten: Rosinante

Oberbegriffe:

[1–3] Tier, Wirbeltier, Säugetier, Huftier, Unpaarhufer / Unpaarzeher, Einhufer / Equid n / Equide m

Beispiele:

[1] „Du kommst wohl immer mehr vom Monde! Das ist doch die, die von Paris rüberjeritten is, uns zu besuchen. Ja, det hat se gemacht, immer auf dem Zossen. Der Zosse hätte ich nich sein mögen, und der ihr Hinterster hätt ich ooch nich sein mögen.“[10]
[1] „‚Los, hüsta, ihr Zossen!‘, rief der Fahrer und trieb die Pferde an.“[11]
[1] „Das ist keine zwei Kilometer von der Redaktion weg, aber jetzt ist das englischer Sektor, und wir sind sowjetisch, und hier, wo wir Karnickel befreien, ist der General mit seinem Zossen rumgeritten, ein Stück Mist war das, der Gaul.“[12]
[2] „Ein Schimmel – Symbol des Bundeslandes – aus dem Landgestüt in Celle sollte Kunststückchen vorführen. Die Sache hatte nur einen Pferdefuß: Unmittelbar vor dem Abtransport fiel dem Protokoll der Name des edlen Zossen auf – ‚Westwall‘, wie die deutsche Verteidigungslinie im Zweiten Weltkrieg. Der schleunigst herbeigeschaffte Ersatzhengst, ein Rappe, heißt politisch korrekt ‚Santini‘ und machte seine Sache gut.“[13]
[2] „Lenkte nicht Josef Neckermann noch mit 60 edle Zossen im Dressurgeviert zu Medaillen bei den Sommerspielen? Eben! Je oller, je doller.“[14]
[3] „Hackendahl mußte wahrhaftig runter vom Bock und den Zossen beim Kopf nehmen.“[15]
[3] „Er geht geduckt auf den Händler los: Was hast du mir fürn Zossen hergetoan! Er packt den Händler, hebt ihn an, hebt ihn aus und hantiert mit ihm wie ein Steinsetzer mit einer Ramme. Bezähme dir, Bäcker, tuk dir bezähmen! schreit Bleschka auf seinem Höhenflug. Jeder sak, daß der Wallach dämpfig war, warum du nicht?“[16]

Übersetzungen Bearbeiten

[1] Wikipedia-Artikel „Hauspferd#Fachsprachliche, veraltete, umgangssprachliche und mundartliche Bezeichnungen
[1, 3] Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache „Zosse
[*] Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch „Zosse
[1, 3] Duden online „Zosse
[1] PONS – Deutsche Rechtschreibung „Zosse
[*] Uni Leipzig: Wortschatz-PortalZosse
[1] Walther Mitzka: Schlesisches Wörterbuch. Band Ⅲ[:] S–Z, Siglenverzeichnis und Ortsliste, Walter de Gruyter & Co., Berlin 1965, Stichwort »Zosse«, Seite 1556 (Google Books).
[1] Heinz Küpper: Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache in 8 Bänden. 8. Band Susig–Zypresse, Klett, Stuttgart 1984, ISBN 3-12-570180-5, DNB 841121311, Stichwort »Zossen (Zosse)«, Seite 3180.
[3] Hans Meyer, Siegfried Mauermann; bearbeitet und ergänzt von Walther Kiaulehn: Der richtige Berliner in Wörtern und Redensarten. Neuausgabe der 10. Auflage. C. H. Beck, München 1985, ISBN 3-406-30611-X, Stichwort »Zosse«, Seite 188.
[1] Joachim Schildt, Hartmut Schmidt (Herausgeber): Berlinisch. Geschichtliche Einführung in die Sprache einer Stadt. Akademie-Verlag, Berlin 1986, Stichwort »Zosse«, ISBN 3-05-000157-7, Seite 433 (Google Books).
[1] Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. 10 Bände auf CD-ROM ; mehr als 200 000 Stichwörter mit rund 90 000 Belegen aus mehreren Hundert Quellen ; vielfältige Recherchemöglichkeiten ; für MS Windows und Apple Macintosh. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2000, ISBN 978-3-411-71001-0, Stichwort »Zosse, Zossen«.
[1–3] Heidi Stern: Wörterbuch zum jiddischen Lehnwortschatz in den deutschen Dialekten. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2000 (Lexicographica: Series Maior ; 102, ISSN 0175-9264), ISBN 978-3-484-39102-4, DNB 959920579, Stichwort »Sus, Zus: Zosse, Zossen«, Seite 211.
[1] Heinz Küpper: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. In: Digitale Bibliothek. 1. Auflage. 36, Directmedia Publishing, Berlin 2006, ISBN 3-89853-436-7, Stichwort »Zossen (Zosse)«.
[1] Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Die deutsche Rechtschreibung. In: Der Duden in zwölf Bänden. 24. Auflage. Band 1, Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2006, ISBN 978-3-411-70924-3, Stichwort »Zosse, Zossen«.
[1, 3] Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Deutsches Universalwörterbuch. Das umfassende Bedeutungswörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. 9. Auflage. Dudenverlag, Berlin 2019, ISBN 978-3-411-05509-8, Stichwort »Zosse, Zossen«, Seite 2111.

Quellen:

  1. Heinz Küpper: Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache in 8 Bänden. 8. Band Susig–Zypresse, Klett, Stuttgart 1984, ISBN 3-12-570180-5, DNB 841121311, Stichwort »Zossen (Zosse)«, Seite 3180.
    Heinz Küpper: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. In: Digitale Bibliothek. 1. Auflage. 36, Directmedia Publishing, Berlin 2006, ISBN 3-89853-436-7, Stichwort »Zossen (Zosse)«.
  2. Siegmund A. Wolf: Wörterbuch des Rotwelschen. Deutsche Gaunersprache. 2., durchgesehene Auflage. Helmut Buske Verlag, Hamburg 1985, ISBN 3-87118-736-4, Stichwort »Zosse(n) [6350]«, Seite 350–351 (Zitiert nach Google Books; korrigierter Nachdruck der Ausgabe Mannheim, Bibliographisches Institut, 1956).
  3. 3,0 3,1 3,2 Friedrich Kluge, bearbeitet von Elmar Seebold: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 24., durchgesehene und erweiterte Auflage. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2001, ISBN 978-3-11-017473-1, DNB 965096742, Stichwort »Zosse«, Seite 1016.
  4. 4,0 4,1 Wolfgang Pfeifer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, digitalisierte und aufbereitete Ausgabe basierend auf der 2., im Akademie-Verlag 1993 erschienenen Auflage. Stichwort „Zosse
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 Nach Werner Weinberg: Die Reste des Jüdischdeutschen. 2., erweiterte Auflage. Kohlhammer, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1973 (Studia Delitzschiana ; Band 12), ISBN 3-17-001393-9, DNB 740067966, Seite 104.
  6. 6,0 6,1 Franz Joseph Beranek: Westjiddischer Sprachatlas. N. G. Elwert Verlag, Marburg 1965, Seite 66–67.
  7. 7,0 7,1 Heidi Stern: Wörterbuch zum jiddischen Lehnwortschatz in den deutschen Dialekten. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2000 (Lexicographica: Series Maior ; 102, ISSN 0175-9264), ISBN 978-3-484-39102-4, DNB 959920579, Stichwort »Sus, Zus«, Seite 210–211.
  8. Bibelhebräisch:
    Walter Baumgartner ✝, Ludwig Koehler ✝; neu bearbeitet von Walter Baumgartner ✝ und Johann Jakob Stamm, unter Mitarbeit von Zeʾev Ben-Ḥayyim, Benedikt Hartmann, Philippe H. Reymond: Hebräisches und aramäisches Lexikon zum Alten Testament. 3. Auflage. Lieferung Ⅲ: נבט‎ – ראה‎, E.J. Brill, Leiden/New York/København/Köln 1983, ISBN 90-04-07022-2, Stichwort »סוּס‎«, Seite 704–705.
    Mittelhebräisch:
    Jacob Levy; nebst Beiträgen von Prof. Dr. Heinrich Leberecht Fleischer: Neuhebräisches und Chaldäisches Wörterbuch über die Talmudim und Midraschim. Dritter Band. מ‎ – ע‎, F. A. Brockhaus, Leipzig 1883, Stichwort »סוּס‎«, Seite 492 (Zitiert nach Digitalisat der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main).
    Marcus Jastrow: A Dictionary of the Targumim, the Talmud Babli and Yerushalmi, and the Midrashic Literature. Volume Ⅱ: ל—ת‎, Luzac & Co./G.P. Putnam’s Sons, Londen, W.C./New York 1903, Stichwort »סוּס‎«, Seite 967.
    Gustaf H. Dalman: Aramäisch-Neuhebräisches Handwörterbuch zu Targum, Talmud und Midrasch. Zweite, verbesserte und vermehrte Auflage. J. Kauffmann Verlag, Frankfurt am Main 1922 (Zitiert nach Digitalisat), Stichwort »סוּס‎«, Seite 286.
    Neuhebräisch:
    Yaacov Lavi; neu bearbeitet von Ari Philipp, Kerstin Klingelhöfer: Langenscheidt Achiasaf Handwörterbuch Hebräisch–Deutsch. Völlige Neubearbeitung, Langenscheidt, Berlin/München/Wien/Zürich/New York 2004, ISBN 978-3-468-04161-7, DNB 96770877X, Stichwort »סוּס‎«, Seite 394.
    Hebrew-English Dictionary „סוּס
  9. Heidi Stern: Wörterbuch zum jiddischen Lehnwortschatz in den deutschen Dialekten. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2000 (Lexicographica: Series Maior ; 102, ISSN 0175-9264), ISBN 978-3-484-39102-4, DNB 959920579, Stichwort »Zimt«, Seite 217.
  10. Hans Fallada: Der eiserne Gustav. Roman. Blüchert Verlag, Hamburg 1958, Seite 691 (Zitiert nach Google Books; Erstveröffentlichung 1938).
  11. Wolfdietrich Schnurre: Die Reise zur Babuschka. In: Ein Fall für den Herrn Schmidt. Erzählungen. Philip Reclam, Stuttgart 1962, Seite 36 (Zitiert nach Google Books; Lizenzausgabe des Walter-Verlag, Olten).
  12. Hermann Kant: Das Impressum. Roman. Luchterhand, Neuwied/Berlin 1972, Seite 166 (Zitiert nach Google Books; Lizenzausgabe des Verlag Rütten & Loening, Berlin).
  13. Zossen-Posse. In: stern. 21. Oktober 1999, ISSN 0039-1239.
  14. Jens Hungermann: Ein Tritt, ein Schrei. In: Die Welt. 31. Juli 2013, ISSN 0173-8437, Seite 18.
  15. Hans Fallada: Der eiserne Gustav. Roman. Aufbau Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-7466-2860-8, Seite 51 (Erstveröffentlichung 1938, revidiertes Manuskript 1962).
  16. Erwin Strittmatter: Der Laden. Aufbau-Verlag, Berlin/Weimar 1983, Seite 60.
  17. 17,0 17,1 17,2 17,3 17,4 Justus van de Kamp, Jacob van der Wijk, Jan van Wijk: Koosjer Nederlands. Joodse woorden in de Nederlandse taal. Tweede druk, Uitgeverij Contact, Amsterdam/Antwerpen 2006, ISBN 90-254-2179-2, Stichwort »sos, sjos, sjossem, soes, sosem, sosele, sossem, sossen, sosser, sus, sussem«, Seite 607 (Google Books).

Ähnliche Wörter (Deutsch):

ähnlich geschrieben und/oder ausgesprochen:
Levenshtein-Abstand von 1: Bosse, Fosse, Gosse, Posse, Sosse
Levenshtein-Abstand von 2: Zotte