Geisterfahrer (Deutsch) Bearbeiten

Substantiv, m Bearbeiten

Singular Plural
Nominativ der Geisterfahrer die Geisterfahrer
Genitiv des Geisterfahrers der Geisterfahrer
Dativ dem Geisterfahrer den Geisterfahrern
Akkusativ den Geisterfahrer die Geisterfahrer

Worttrennung:

Geis·ter·fah·rer, Plural: Geis·ter·fah·rer

Aussprache:

IPA: [ˈɡaɪ̯stɐˌfaːʁɐ]
Hörbeispiele:   Geisterfahrer (Info)

Bedeutungen:

[1] umgangssprachlich: jemand, der entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung fährt und dadurch die ihm entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer gefährdet
[2] umgangssprachlich übertragen: jemand, der eine Haltung, Meinung entgegen der etablierten Ansicht (zum Beispiel der Wissenschaft), Leitlinie oder Philosophie (einer Partei, eines Unternehmens oder dergleichen) vertritt oder einen Kurs, der keine Aussicht auf Umsetzung hat, verfolgt und dessen Handeln deshalb (je nach Kontext) als abstrus, irrational, gefährlich, unvernünftig, unangemessen oder ähnlich angesehen wird

Herkunft:

  • strukturell:
Determinativkompositum aus den Substantiven Geist und Fahrer mit dem Fugenelement -er
Das Wort in der ersten Bedeutung ist um 1975 aufgekommen und wohl eine Parallelbildung zu Geisterschiff.[1] Die zugrundeliegende Vorstellung fußt darauf, dass der Fahrer über die jeweilige Strecke „geistert“.[2] An die Vorstellung des „Geisterns“ knüpft ein früherer Beleg des Wortes aus dem Jahr 1966, wo es einen Fahrer bezeichnet, der im Auto für andere nicht sichtbar ist; es wirkt so, als fahre ein unsichtbarer Geist das Fahrzeug:
„Es war der Automechaniker Carlo Spaventa aus Monza. Er hatte seinen erbsengrünen Fiat 600 (normale Höchstgeschwindigkeit: 110 Stundenkilometer) durch Manipulationen am Motor zu einer Art Rennsportwagen umgebaut. Außerdem hatte er Sehschlitze in die Frontpartie des Heckmotor-Autos geschnitten und die Steuerung verändert. So konnte er, ausgestreckt am Boden liegend, sein Fahrzeug lenken, ohne selber gesehen zu werden. ‚Es macht mir Spaß, die Leute zu erschrecken‘, erklärte Geisterfahrer Spaventa bei seiner Vernehmung.“[3]
Die übertragene zweite Bedeutung ist ab 1978 bezeugt.[2]

Synonyme:

[1] Falschfahrer

Weibliche Wortformen:

[1] Geisterfahrerin

Oberbegriffe:

[1] Fahrer

Beispiele:

[1] Geisterfahrer auf der Autobahn verursachen meist schwere Unfälle.
[1] „Sogenannte Geisterfahrer, die auf der falschen Autobahnseite chauffieren und stets tödliche Gefahr bedeuten, werden immer häufiger registriert.“[4]
[1] „Und bei besonders dringenden Warnungen, zum Beispiel vor ‚Geisterfahrern‘ auf der falschen Fahrbahnseite, soll das Programm auch sofort unterbrochen werden.“[5]
[1] „Künftig werden ‚Geisterfahrer‘ mit bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bedroht.“[6]
[1] „Nicht beirren ließ sich ein Geisterfahrer, der in der Nacht zum Freitag nach einer Zechtour in München auf der A 9 unterwegs war. […] Erst im Laufe des Tages konnte die Polizei durch Zeugenaussagen den betrunkenen Geisterfahrer ermitteln.“[7]
[1] „Bei Bruchsal war nach einem Massenunfall die Autobahn gesperrt, auf Kassel raste ein Geisterfahrer zu.“[8]
[1] „Das Auto des Geisterfahrers und die Zugmaschine fingen Feuer, der Elektriker verbrannte.“[9]
[1] „Auf der A 31 nahe Borken haben heute mehrere Autofahrer vor einem Stauende ihre Wagen gewendet und sind als ‚Geisterfahrer‘ zur letzten Auffahrt zurückgefahren, um das Warten im Stau zu vermeiden.“[10]
[1] „Im Jahr 2001 starb ihre einzige Tochter im Alter von 34 Jahren unverschuldet bei einem Verkehrsunfall. Ein Geisterfahrer war in ihren Wagen gerast.“[11]
[1] „Geisterfahrer könnten künftig unmittelbar erfasst werden: Von Sensoren, die in den oberen Teil der Leitplanken integriert sind.“[12]
[2] „Die alten Frankenstein-Motive tauchen auch diesmal in der Wahlwerbung wieder auf. Da ist Strauß ein ‚außenpolitischer Geisterfahrer‘ (SPD-Vorstandssprecher Schwartz), eine ‚Gefahr für uns alle‘ (Schmidt). Da wird Helmut Schmidt zum ‚Kriegskanzler‘ stilisiert (Strauß), zum ‚Brandstifter‘ (Kohl), zur ‚lenkbaren Figur der Ost-Berliner Regieassistenten und des Moskauer Regisseurs‘ (Zimmermann).“[13]
[2] „Der ‚Ausstieg aus der Kernenergie‘ müsse ‚so rasch wie möglich‘ erfolgen. Alle ‚ökologischen Geisterfahrer der Politik‘ will der Wiesenfeldener Schloßherr künftig frontal angehen, denn von ihnen gehe ‚akute Lebensgefahr für unsere Zukunft‘ aus.“[14]
[2] „Wie ein politischer Geisterfahrer läßt sich Czaja auch dadurch nicht beirren: Die Mehrheit fährt falsch, er allein richtig.“[15]
[2] „Die FDP sei ein Lobbyverein, die SPD beim Datenschutz ein ‚netzpolitischer Geisterfahrer‘.“[16]

Charakteristische Wortkombinationen:

[1] [Rundfunkdurchsage:] „Vorsicht vor einem Geisterfahrer auf der Autobahn A…“
[1] mit Verb: einem Geisterfahrer ausweichen, einen Geisterfahrer rammen, einen Geisterfahrer stoppen, mit einem Geisterfahrer zusammenstoßen; ein Geisterfahrer kommt jemandem entgegen, rast über die Autobahn, verursacht einen Unfall
[1] mit Adjektiv: betrunkener Geisterfahrer
[2] mit Adjektiv: politischer Geisterfahrer

Wortbildungen:

[1] Geisterfahrer-LKW, Geisterfahrermeldung, Geisterfahrerunfall, Geisterfahrerwarnung

Übersetzungen Bearbeiten

[1] Wikipedia-Artikel „Falschfahrer
[1, 2] Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache „Geisterfahrer
[*] Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch – elexiko „Geisterfahrer
[1] The Free Dictionary „Geisterfahrer
[1, 2] Duden online „Geisterfahrer
[1] Wahrig Großes Wörterbuch der deutschen Sprache „Geisterfahrer“ auf wissen.de
[1] PONS – Deutsche Rechtschreibung „Geisterfahrer
[*] Uni Leipzig: Wortschatz-PortalGeisterfahrer
[1] Deutsche Welle, Wort der Woche: Hanna Grimm: Geisterfahrer. In: Deutsche Welle. 17. Januar 2009 (Text und Audio, Dauer: 00:55 mm:ss, URL, abgerufen am 13. Juli 2018).
[1, 2] Heinz Küpper: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. In: Digitale Bibliothek. 1. Auflage. 36, Directmedia Publishing, Berlin 2006, ISBN 3-89853-436-7, Stichwort »Geisterfahrer«.
[1, 2] Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Deutsches Universalwörterbuch. Das umfassende Bedeutungswörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. 9. Auflage. Dudenverlag, Berlin 2019, ISBN 978-3-411-05509-8, Stichwort »Geisterfahrer«, Seite 705.

Quellen:

  1. Gerhard Köbler: Etymologisches Rechtswörterbuch. Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 1995, ISBN 3-16-146420-6, Seite 148 (Zitiert nach Digitalisat auf der Website des Autors).
  2. 2,0 2,1 Heinz Küpper: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. In: Digitale Bibliothek. 1. Auflage. 36, Directmedia Publishing, Berlin 2006, ISBN 3-89853-436-7, Stichwort »Geisterfahrer«.
  3. Geist am Steuer. In: DER SPIEGEL. Nummer 19, 2. Mai 1966, ISSN 0038-7452, Seite 142 (DER SPIEGEL Archiv-URL, abgerufen am 10. März 2021).
  4. Wo bin ich? In: DER SPIEGEL. Nummer 23, 30. Mai 1977, ISSN 0038-7452, Seite 73 (DER SPIEGEL Archiv-URL, abgerufen am 10. März 2021).
  5. Hohe Zeit für Warnfunker. In: DIE ZEIT. Nummer 43, 20. Oktober 1978, ISSN 0044-2070, Seite 62 (DIE ZEIT Archiv-URL, abgerufen am 10. März 2021).
  6. Künftig Verwarnungsgelder bis 75 Mark. In: Mannheimer Morgen. Nummer 49, 28. Februar 1986, Seite 01.
  7. Schwere Verkehrsunfälle zu Himmelfahrt. In: Nürnberger Nachrichten. 26. Mai 1990, Seite 4.
  8. Maxim Biller: Horwitz erteilt Lubin eine Lektion. In: Wenn ich einmal reich und tot bin. Erzählungen. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1990, ISBN 3-462-02032-3, Seite 35.
  9. dpa: Drei Todesopfer. In: Süddeutsche Zeitung. 13. Juli 1993, ISSN 0174-4917, Seite 28.
  10. Deutscher Wikinews-Artikel „Borken, Deutschland, 29.09.2005: Riskante Wendemanöver auf A 31 nach Wolf-Äußerung
  11. Deutscher Wikinews-Artikel „München, Deutschland, 14.01.2010: Moderatorin Petra Schürmann gestorben
  12. Simon Schomäcker: Ghostbuster-Prototyp - Geisterfahrer mit Sensor-Technik erfassen. In: Deutschlandradio. 9. Dezember 2016 (Deutschlandfunk / Köln, Sendereihe: Forschung aktuell, URL, abgerufen am 13. Juli 2018).
  13. Theo Sommer: Mit dem Knüppel. In: DIE ZEIT. Nummer 36, 29. August 1980, ISSN 0044-2070, Seite 1 (DIE ZEIT Archiv-URL, abgerufen am 10. März 2021).
  14. Heinz Höfl: „Bäume haben die besseren Argumente“. In: DER SPIEGEL. Nummer 48, 24. November 1986, ISSN 0038-7452, Seite 77 (DER SPIEGEL Archiv-URL, abgerufen am 10. März 2021).
  15. Ernst-Otto Czempiel: Streitschrift für das Deutsche Reich. Herbert Czaja will vorerst die Grenzen von 1937 wiederherstellen. In: Frankfurter Allgemeine. Zeitung für Deutschland. Nummer 220, 20. September 1996, ISSN 0174-4909, Seite 10 (Feuilleton).
  16. Abrechnung mit der Konkurrenz. In: Mannheimer Morgen. 13. Mai 2013, Seite 1 (Stadtausgabe).

Ähnliche Wörter (Deutsch):

ähnlich geschrieben und/oder ausgesprochen: Geisterfahrt