Dieser Eintrag war in der 44. Woche
des Jahres 2013 das Wort der Woche.
 

Worttrennung:

Schnee von ges·tern

Aussprache:

IPA: [ˈʃneː fɔn ˌɡɛstɐn]
Hörbeispiele:   Schnee von gestern (Info)

Bedeutungen:

[1] umgangssprachlich: adverbiell, in Bezug auf Dinge oder Tatsachen: nicht mehr von Interesse, nicht mehr aktuell; substantivisch: etwas, das sich thematisch abgenutzt hat und längst uninteressant geworden ist

Herkunft:

Diese im späten 19. Jahrhundert aufgekommene[1][2] Formulierung geht wahrscheinlich auf die als Refrain wiederkehrende rhetorische Frage „Mais où sont les neiges d’antan?“ ‚Aber wo ist der Schnee vom vergangenen Jahr?‘ aus der »Ballade des dames du temps jadis« des französischen Renaissancedichters François Villon zurück.[3][4] Villon wendete das Bild demonstrativ auf historische und mythologische weibliche Berühmtheiten und ihre längst vergangene Schönheit an.[3][4]

Sinnverwandte Wörter:

[1] ein alter Hut sein, kalter Kaffee, alte Kamellen/olle Kamellen

Unterbegriffe:

[1] intensivierend: Schnee von vorgestern, Schnee vom letzten Jahr, Schnee vom vergangenen Jahr

Beispiele:

  • adverbiell:
[1] Das ist doch (alles) Schnee von gestern!
[1] „Lange Wartezeiten sind hier Schnee von gestern.[5]
[1] „Mit dem beginnenden Krieg im Irak waren diese Skandale Schnee von gestern: George W. Bush ersetzte Clintons Strategie des forcierten Freihandels mit einer klassischen kriegerischen Plünderwirtschaft.“[6]
[1] „Serbische Nachbarn hätten ehemalige Schüler, die bei ihm vor dem Krieg in die Lehre gegangen waren und jetzt bei ihm arbeiten wollten, »Verräter«, die dem »Türken« helfen wollten, genannt. Doch das sei jetzt Schnee von gestern.[7]
[1] „Die jugoslawischen Panzer und die weltweite Aufregung darüber sind längst Schnee von gestern und seither wird alles immer stabiler (Nato, EU, Euro, slowenische EU-Präsidentschaft 2008).“[8]
[1] „Kiki winkte ab. ‚Schnee von gestern!‘“[9]
[1] „Ein grandioses Ergebnis – vereinzelt wurde jedoch auch Kritik geäußert: Das Lied, der Tanz, die Kostüme – all das präsentiere nicht das heutige Israel, sei Schnee von gestern und erinnere höchstens an die alten Kibbuz-Zeiten.“[10]
  • substantivisch:
[1] „Für den Sokratiker der Religion ist das Wort – ein erster zurückgeworfener Schatten von FEUERBACH!– nur die verbale Projektion, die zurückgebliebene Hülse der entbundenen religiösen Potenz, es ist ein museales Relikt, der ‚Schnee von gestern‘.“[11]
[1] „Der politische Schnee von gestern scheint jetzt zu tauen, Bundesrat Moritz Leuenberger will nach der Sommerpause sichtlich neuen Drive in die Verkehrsverhandlungen mit der EU bringen.“[12]
[1] „Die Ereignisse, über die ich schrieb bis zu dieser Minute, sind der blutige Schnee von gestern. Morgen ist für uns alle der große Tag: Vereinigung, Kreuzigung, Himmel- oder Höllenfahrt.“[13]
[1] „So verkündete Franz Wille in Theater heute frohgemut und ohne Umschweife, dass die Autorin »eine Klemmfotze (ohne Anführungszeichen) [ist], die den Schnee von gestern vor sich hinplappert.«“[14]
[1] „Die Krise ist also der Überproduktion (zurückbleibende Massennachfrage) und der Überakkumulation (sinkende Profitraten) geschuldet. Das ist eine der grossen Entdeckungen von Marx - und auch heute kein Schnee von gestern.[15]

Charakteristische Wortkombinationen:

[1] Schnee von gestern sein; der politische Schnee von gestern

Übersetzungen

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[*] Hans Schemann: Deutsche Idiomatik. Wörterbuch der deutschen Redewendungen im Kontext. 2. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2011, ISBN 978-3-11-021788-9, Stichwort »Schnee«, Seite 721.
[1] Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Redewendungen. Wörterbuch der deutschen Idiomatik. In: Der Duden in zwölf Bänden. 4., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. Band 11, Dudenverlag, Berlin/Mannheim/Zürich 2013, ISBN 978-3-411-04114-5, Stichwort »Schnee«, Seite 661.
[1] Werner Scholze-Stubenrecht et al.: Duden, Zitate und Aussprüche. Herkunft und aktueller Gebrauch. 7 500 Zitate, Aussprüche, Bonmots, Sentenzen und Aphorismen - von der klassischen Antike bis zur modernen Werbesprache, von der Bibel bis zum Fernsehfilm. In: Der Duden in 12 Bänden. Nach den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung überarbeiteter Nachdruck der 1. Auflage. Band 12, Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 1997, ISBN 3-411-04121-8, DNB 950682950, Seite 414.
[1] Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. In zehn Bänden. 3., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. 8. Band Schl–Tace, Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 1999, ISBN 3-411-04813-1, DNB 965408930, Stichwort »Schnee«, Seite 3408–3409.
[1] Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Das große Buch der Zitate und Redewendungen. 2. Auflage. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2007, ISBN 978-3-411-71802-3, Seite 671.
[1] Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Deutsches Universalwörterbuch. 6. Auflage. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2007, ISBN 978-3-411-05506-7, Stichwort »Schnee«, Seite 1481.
[1] Renate Wahrig-Burfeind: Brockhaus Wahrig Deutsches Wörterbuch. Mit einem Lexikon der Sprachlehre. In: Digitale Bibliothek. 9., vollständig neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. wissenmedia in der inmedia ONE GmbH, Gütersloh/München 2012, ISBN 978-3-577-07595-4 (CD-ROM-Ausgabe), Stichwort »Schnee«.
[1] Heinz Küpper: Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache in 8 Bänden. 7. Band Sardelle–Susi, Klett, Stuttgart 1984, ISBN 3-12-570170-8, DNB 841057532, Stichwort »Schnee«, Seite 2532.
[1] Heinz Küpper: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. In: Digitale Bibliothek. 1. Auflage. 36, Directmedia Publishing, Berlin 2006, ISBN 3-89853-436-7, Stichwort »Schnee«.
[1] Duden online „Schnee von gestern
[1] The Free Dictionary „Schnee
[1] Redensarten-Index „Schnee von gestern

Quellen:

  1. Heinz Küpper: Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache in 8 Bänden. 7. Band Sardelle–Susi, Klett, Stuttgart 1984, ISBN 3-12-570170-8, DNB 841057532, Stichwort »Schnee«, Seite 2532.
  2. Heinz Küpper: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. In: Digitale Bibliothek. 1. Auflage. 36, Directmedia Publishing, Berlin 2006, ISBN 3-89853-436-7, Stichwort »Schnee«.
  3. 3,0 3,1 Werner Scholze-Stubenrecht et al.: Duden, Zitate und Aussprüche. Herkunft und aktueller Gebrauch. 7 500 Zitate, Aussprüche, Bonmots, Sentenzen und Aphorismen - von der klassischen Antike bis zur modernen Werbesprache, von der Bibel bis zum Fernsehfilm. In: Der Duden in 12 Bänden. Nach den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung überarbeiteter Nachdruck der 1. Auflage. Band 12, Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 1997, ISBN 3-411-04121-8, DNB 950682950, Seite 414.
  4. 4,0 4,1 Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Das große Buch der Zitate und Redewendungen. 2. Auflage. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2007, ISBN 978-3-411-71802-3, Seite 671.
  5. Boris Cizej: Alle Skigebiete auf einen Blick. In: Argentinisches Tageblatt Online. Nummer 31.256, 111. Jahrgang, 1. Juli 2000, Seite 4 (PDF, URL, abgerufen am 3. August 2013).
  6. Constantin Seibt: Von Seattle 1999 bis Davos 2005: Eine andere Welt ist möglich - aber wo? Was bleibt nach fünf Jahren Globalisierungskritik?. In: WOZ Online. Nummer 03/2005, 20. Januar 2005 (URL, abgerufen am 3. August 2013).
  7. Erich Rathfelder, mit einem Vorwort von Christian Schwarz-Schilling: Schnittpunkt Sarajevo. Bosnien und Herzegowina zehn Jahre nach Dayton: Muslime, Orthodoxe, Katholiken und Juden bauen einen gemeinsamen Staat. 1. Auflage. Deutsche Erstausgabe, Hans Schiler, Berlin 2006, ISBN 978-3-89930-108-3, Seite 48 (Zitiert nach Google Books).
  8. Boris Cizej: Brief aus Ljubljana. In: Le Monde diplomatique Online. Deutschsprachige Ausgabe. Nummer 8173, 12. Januar 2007 (übersetzt von Hans-Joachim Lanksch), ISSN 1434-2561, Seite 2 (URL, abgerufen am 3. August 2013).
  9. Manuela Sumser: Kiki und das blaue Zauberhaus. 1. Auflage. Books on Demand, Norderstedt 2010, ISBN 978-3-842-34035-0, Seite 86 (Zitiert nach Google Books).
  10. Dominik Peters: Der Nahe Osten bei den Olympischen Winterspielen: Mit glühendem Herzen. In: zenith – Zeitschrift für den Orient. Onlineausgabe. 3. März 2010, ISSN 1439-9660 (URL, abgerufen am 3. August 2013).
  11. Helmut Thielicke: Glauben und Denken in der Neuzeit. Die großen Systeme der Theologie und Religionsphilosophie. 2., durchgesehene und erweiterte Auflage. J. C. B. Mohr ‹Paul Siebeck›, Tübingen 1988, ISBN 3-16-145348-4, Seite 300 (Zitiert nach Google Books).
  12. SF DRS: „10 vor 10“, 26. August 1997, zitiert nach Harald Burger: Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen. 3., neu bearbeitete Auflage. Erich Schmidt, Berlin 2007, ISBN 978-3-503-09812-5, Seite 161 (Zitiert nach Google Books).
  13. Fritz Bölling: Wut im Bauch. Books on Demand, Norderstedt 2003, ISBN 3-8334-0157-5, Seite 162 (Zitiert nach Google Books).
  14. Artur Pelka: Jelineks »Raststätte«. (K)ein Theater-Porno oder: Wie die Skandalisierung zum Skandal wird. In: Stefan Neuhaus, Johann Holzner (Herausgeber): Literatur als Skandal. Fälle – Funktionen – Folgen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-525-20855-7, Seite 527 (Zitiert nach Google Books).
    Im Originalsatz ist der Eigenname »Theater heute« kursiv gesetzt.
  15. Elmar Altvater: Finanzkapitalismus und Klimakatastrophe: Nicht totzukriegen. In: WOZ Online. Nummer 11/2008, 13. März 2008 (URL, abgerufen am 3. August 2013).