blinder Passagier (Deutsch) Bearbeiten

Substantiv, m, Wortverbindung, adjektivische Deklination, Redewendung Bearbeiten

starke Deklination ohne Artikel
Singular Plural
Nominativ blinder Passagier blinde Passagiere
Genitiv blinden Passagiers blinder Passagiere
Dativ blindem Passagier blinden Passagieren
Akkusativ blinden Passagier blinde Passagiere
schwache Deklination mit bestimmtem Artikel
Singular Plural
Nominativ der blinde Passagier die blinden Passagiere
Genitiv des blinden Passagiers der blinden Passagiere
Dativ dem blinden Passagier den blinden Passagieren
Akkusativ den blinden Passagier die blinden Passagiere
gemischte Deklination (mit Possessivpronomen, »kein«, …)
Singular Plural
Nominativ ein blinder Passagier keine blinden Passagiere
Genitiv eines blinden Passagiers keiner blinden Passagiere
Dativ einem blinden Passagier keinen blinden Passagieren
Akkusativ einen blinden Passagier keine blinden Passagiere

Anmerkung:

[1] Im Gegensatz zum Schwarzfahrer hält sich der blinde Passagier versteckt.[1] Der Beweggrund, illegal ein Beförderungsmittel zu nutzen, liegt häufig in Krieg, politischer Verfolgung oder wirtschaftlicher Armut im eigenen Land.[2] Die Reise selbst ist oft beschwerlich und endet nicht selten mit dem Tod.[2] (siehe Beispiele)

Worttrennung:

blin·der Pas·sa·gier, Plural: blin·de Pas·sa·gie·re

Aussprache:

IPA: [ˌblɪndɐ pasaˈʒiːɐ̯]
Hörbeispiele:   blinder Passagier (Info)

Bedeutungen:

[1] (männliche) Person, die sich in ein (öffentliches) Beförderungsmittel, das häufig auf einer Langstrecke verkehrt (Flugzeug, Schiff, LKW, Zug oder dergleichen), einschleicht, sich dort (in Laderäumen, Fahrwerken oder dergleichen) versteckt hält, um so illegal und kostenlos mitzureisen
[2] übertragen: nicht-menschliches Lebewesen (Tier, Mikroorganismus oder dergleichen), das durch Zufall unbemerkt und unbeobachtet in ein Beförderungsmittel gelangt, so unfreiwillig mitreist und zumeist erst nach Ankunft am Zielort entdeckt wird

Herkunft:

Die Wendung in ihrer ersten Bedeutung ist ab 1700 belegt.[3] Das adjektivische Attribut blind ist hier in seiner veralteten Bedeutung ‚versteckt, heimlich‘ erhalten.[4] Zudem konnotiert es neben dem Sememnicht zahlend‘ mitunter auch die Sememenicht sehend‘ und ‚vorgetäuscht, falsch‘.[5]

Oberbegriffe:

[1] Passagier

Weibliche Namensvarianten:

[1, 2] blinde Passagierin

Beispiele:

[1] „Man war nicht lange gefahren, als der Schiffer ſtille hielt, um mit Erlaubniß der Geſellſchaft noch jemand einzunehmen, der am Ufer ſtand, und gewinkt hatte. Das iſt eben noch, was wir brauchten, rief Philine, ein blinder Paſſagier fehlte noch der Reiſegeſellſchaft.“[6]
[1] „Koljaiczek, der ein guter Schwimmer mit einer noch besseren Lunge war, unterschwamm nicht nur das Floß; auch die beträchtliche restliche Breite der Mottlau durchtauchte er, schaffte mit Glück das Festgelände der Schichauwerft, mischte sich dort, ohne Aufsehen zu erregen, unter die Werftarbeiter, und schließlich unters begeisterte Volk, […], verdrückte sich nach geglücktem Stapellauf mit der Menge in halb getrockneten Kleidern vom Festgelände und avancierte am nächsten Tag schon – hier trifft sich die erste mit der zweiten Rettungsversion – zum blinden Passagier auf einem der berühmt berüchtigten griechischen Tanker.“[7]
[1] „Der Junge prüfte, ob es vielleicht eine Möglichkeit gab, als blinder Passagier mitzukommen.“[8]
[1] „Die Ärmsten der Armen wollen aus ihrem Elend fliehen doch die Reise als blinder Passagier ist gefährlich und oft vergebens. ‚Trotz aller Vorsicht und gründlicher Suche haben es wieder sieben blinde Passagiere geschafft‘, berichtete der Hamburger Kapitän Wolfgang Goede von seiner letzten Reise nach Westafrika.“[9]
[1] «Und ich war nicht allein in dem Heck‑Laderaum eines italienischen Frachters als blinder Passagier, ein Auswanderer ohne Papiere für Amerika; nur ein bestochener Heizer wußte damals, daß es mich gab dort unten zwischen den Fässern, und es war dunkel, stank, war heiß, […]; also war ich nicht allein.»[10]
[1] „Das Schiff ist eine der wenigen verbliebenen Möglichkeiten, in das wohlhabende Europa zu gelangen. Einer sicher nicht unerheblichen Zahl der im Behördenjargon ‚Einschleicher‘ genannten blinden Passagiere gelingt es, in europäischen Häfen wie Hamburg allein oder mit fremder Hilfe von Bord zu kommen und auch unbemerkt den Hafenbereich zu verlassen.“[11]
[1] «Beim Brand auf einer Autofähre vor der griechischen Küste sind in der Nacht auf Dienstag zehn Menschen getötet worden, die sich als blinde Passagiere unter Deck versteckt hatten.»[12]
[1] „Den Angaben zufolge hatte sich der Nordafrikaner bereits am Samstag in Tunis unbemerkt auf dem Reserverad unter dem Lkw-Anhänger festgebunden. Der Auflieger war anschließend mitsamt dem blinden Passagier per Fähre nach Genua übergesetzt worden, wo der Lkw-Fahrer den Anhänger übernahm und das Gespann über Frankreich und die Schweiz nach Deutschland steuerte.“[13]
[1] „Es ist eine schier unglaubliche Reise, die Bloom beschreibt: eine, in der eine Frau sich als blinder Passagier in Zügen, mit dem Schiff, zu Fuß oder mit einem Boot durch Kanada bis nach Alaska durchschlägt.“[14]
[1] «Das Personal holte den unterkühlten und erschöpften blinden Passagier ins Innere des Nachtzuges, liess ihn in einem Abteil schlafen und übergab ihn in Hannover der Polizei.»[15]
[1] „Dass blinde Passagiere Flüge im Radschacht eines Flugzeuges überleben, ist selten, kommt aber gelegentlich vor.“[16]
[2] „Schon wenige, als blinde Passagiere eingeschleppte Mikroben würden genügen, erklärte Lederberg, binnen kurzem die ganze Erde zu verseuchen: ‚Bei einer Generationszeit von 30 Minuten und leichter Verbreitung durch Winde und Gewässer können sich gewöhnliche Bakterien über einen Nährboden von Erdgröße binnen weniger Tage oder Wochen ausbreiten.‘“[17]
[2] „Ein – im doppelten Sinn des Wortes – blinder Passagier war Montag zwischen Niederösterreich und Oberösterreich unterwegs: Ein blinde Katze hatte es sich im Motorraum des Autos einer 52jährigen Geschäftsfrau bequem gemacht, während das Fahrzeug auf einem Parkplatz bei Amstetten abgestellt war.“[18]
[2] „Ein trauriges Ende nahm die Weltraum-Expedition einer Mücke, die vor drei Tagen als blinder Passagier an Bord der US-Raumfähre Endeavour ins All gestartet war.“[19]
[2] „Horrorvorstellung für Menschen mit einer Spinnen-Phobie: Beim Auspacken von Südfrüchten wurde am Samstag in einem Lebensmittelgeschäft in Pernegg bei Bruck an der Mur vom Personal auf einer Banane eine ausgewachsene Vogelspinne entdeckt. Das handtellergroße Krabbeltier war, wie sich herausstellte, als ‚blinder Passagier‘ in einer Bananenschachtel ‚eingewandert‘.“[20]
[2] „Auf Guam pfeift (fast) kein Vogel mehr, zumindest keiner von denen, die früher gepfiffen haben. Einst hatte die Insel zwölf heimische Arten, dann, im Zweiten Weltkrieg, kamen mit der US Air Force blinde Passagiere, Schlangen, Braune Nachtbaumnattern.“[21]
[2] „Per Flugzeug oder Schiff reisen Menschen und Waren um die Welt. Oft sind blinde Passagiere mit an Bord, etwa Mücken und Krankheitserreger.“[22]
[2] „Nicht selten verirren sich Tiere auf Frachtschiffe oder gelangen in Containern als blinde Passagiere an Bord eines Flugzeugs auf andere Erdteile.“[23]
[2] „Eingereist als blinder Passagier auf dem Dampfer aus Amerika, vernichtete die Reblaus vor 150 Jahren etwa zwei Drittel des europäischen Weins.“[24]
[2] „Eine Kröte aus Südafrika ist nach einer verrückten Odyssee im Düsseldorfer Aquazoo gelandet. Das etwa zehn Zentimeter große Tier war als blinder Passagier im Gepäck einer Urlauberin von Südafrika nach Düsseldorf geflogen.“[25]

Übersetzungen Bearbeiten

[1] Wikipedia-Artikel „Blinder Passagier
[1, 2] Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache „blinder Passagier
[1, 2] Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch – Feste Wortverbindungen „blinder Passagier
[1] The Free Dictionary „Passagier
[1] Duden online „Passagier
[1] Wahrig Großes Wörterbuch der deutschen Sprache „blind“ auf wissen.de
[1] PONS – Deutsche Rechtschreibung „Passagier
[*] Uni Leipzig: Wortschatz-Portalblinder Passagier
[1] Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. 10 Bände auf CD-ROM ; mehr als 200 000 Stichwörter mit rund 90 000 Belegen aus mehreren Hundert Quellen ; vielfältige Recherchemöglichkeiten ; für MS Windows und Apple Macintosh. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2000, ISBN 978-3-411-71001-0, Stichwort »Passagier«.
[1, 2] Heinz Küpper: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. In: Digitale Bibliothek. 1. Auflage. 36, Directmedia Publishing, Berlin 2006, ISBN 3-89853-436-7, Stichwort »Passagier«.
[1, 2] Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Redewendungen. Wörterbuch der deutschen Idiomatik. In: Der Duden in zwölf Bänden. 5., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. Band 11, Dudenverlag, Berlin/Mannheim/Zürich 2020, ISBN 978-3-411-91305-3, Stichwort »blind: blinder Passagier«, Seite 126.

Quellen:

  1. Wikipedia-Artikel „Blinder Passagier
  2. 2,0 2,1 Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch – Feste Wortverbindungen „bliner Passagier (Mensch)
  3. Heinz Küpper: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. In: Digitale Bibliothek. 1. Auflage. 36, Directmedia Publishing, Berlin 2006, ISBN 3-89853-436-7, Stichwort »Passagier«.
  4. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. 10 Bände auf CD-ROM ; mehr als 200 000 Stichwörter mit rund 90 000 Belegen aus mehreren Hundert Quellen ; vielfältige Recherchemöglichkeiten ; für MS Windows und Apple Macintosh. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2000, ISBN 978-3-411-71001-0, Stichwort »Passagier«.
    Duden online „Passagier
  5. Christine Palm: Phraseologie. Eine Einführung. 2., durchgesehene Auflage. Gunter Narr Verlag, Tübingen 1997, ISBN 3-8233-4953-8, Stichpunkt »2.1.1.1.3 Die Problematik der Idiomatizität und die wichtigsten Idiomatizitätsfaktoren«, Seite 14 (Zitiert nach Google Books; Erstauflage 1995).
  6. Johann Wolfgang von Goethe: Wilhelm Meiſters Lehrjahre. Ein Roman. 1. Auflage. Erſter Band, [b]ey Johann Friedrich Unger, Berlin 1795, Seite 299 (Zitiert nach Deutsches Textarchiv).
  7. Günter Grass: Die Blechtrommel. Roman. 323.–372. Tausend, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1964, Seite 27 (Erstausgabe 1962).
  8. Alfred Andersch: Sansibar oder der letzte Grund. Roman. Diogenes, Zürich © 1970, ISBN 3-257-20055-2, Seite 65 (Zitiert nach Google Books; Erstauflage im Walter-Verlag, Olten/Freiburg im Breisgau 1957).
    Im Original ist der ganze Satz kursiv gesetzt.
  9. dpa: Ungebetene Passagiere stürmen Schiffe. In: Salzburger Nachrichten. 6. Juli 1993, ISSN 1015-1303.
  10. Max Frisch: Stiller. Roman. 93.–97. Tausend, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1965, Seite 398 (Zitiert nach Internet Archive; Erstauflage 1954).
  11. Karsten Plog: Im dunklen Schiffsbauch. Blinde Passagiere vor allem aus Westafrika reisen ins Ungewisse und kommen, wenn überhaupt, in der Rechtlosigkeit an. In: Frankfurter Rundschau. 24. Februar 1999, ISSN 0940-6980, Seite 6.
  12. AP: Blinde Passagiere bei Fährbrand gestorben. In: St. Galler Tagblatt. 3. November 1999.
  13. AFP: Einreise unter Lkw-Anhänger. In: taz.die tageszeitung. Nummer 6950, 10. Januar 2003, ISSN 1434-4459, Seite 7 (überregionale Ausgabe; taz Print Archiv-URL, abgerufen am 27. August 2021).
  14. jr: Lillians Sehnsucht. In: Hannoversche Allgemeine. 5. Juli 2008, Seite 6.
  15. dpa/dapd: Zug-Trittbrettfahrer bei Tempo 200. In: Neue Zürcher Zeitung. 15. Februar 2012, ISSN 0376-6829, Seite 22 (NZZ Archiv-URL, abgerufen am 27. August 2021).
  16. Ansgar Graw: Das Wunder von Hawaii. In: Die Welt. 23. April 2014, ISSN 0173-8437, Seite 24.
  17. Masern vom Mond. Nummer 49, 29. November 1961, Seite 95
  18. Reisegefährte im Motorraum. In: Salzburger Nachrichten. 28. April 1993, ISSN 1015-1303.
  19. VERRÜCKT. In: Salzburger Nachrichten. 4. Oktober 1994, ISSN 1015-1303.
  20. Vogelspinne in Geschäft. In: Oberösterreichische Nachrichten. 10. Februar 1997.
  21. Jürgen Langenbach: Invasoren, seid willkommen! 13. September 2008, Seite 40
  22. Gefährliches Dengue-Fieber in Europa. Auch Reisende in Kroatien oder Portugal haben sich mit dem Erreger schon infiziert. In: Nürnberger Nachrichten. 7. April 2014, Seite 32.
  23. Stefan Weißenborn: Globalisierung der anderen Art. In: Die Welt. 19. September 2015, ISSN 0173-8437.
  24. Lea Weinmann: Langes Leben. Von der Mother Vine in den USA zur Versoaln-Rebe in Südtirol: Die ältesten Weinstöcke der Welt haben auch eine besondere Geschichte. In: Süddeutsche Zeitung. 29. November 2018, ISSN 0174-4917, Seite 36.
  25. Verrückte Odyssee führt Kröte in Aquazoo. In: Norddeutsche Neueste Nachrichten. 10. Mai 2019, Seite 20.