ungeschaffen (Deutsch) Bearbeiten

Adjektiv Bearbeiten

Positiv Komparativ Superlativ
ungeschaffen
Alle weiteren Formen: Flexion:ungeschaffen

Worttrennung:

un·ge·schaf·fen, keine Steigerung

Aussprache:

IPA: [ˈʊnɡəˌʃafn̩]
Hörbeispiele:   ungeschaffen (Info)

Bedeutungen:

[1] Theologie, Metaphysik: nicht durch Herstellungsprozess/Akt der Schöpfung hervorgebracht, obwohl da seiend/existierend
[2] selten: nicht da seiend, nicht existierend, (noch) vor dem Akt der Schöpfung/Herstellung
[3] veraltet, bis ins 19. Jahrhundert hinein: unschöne Gestalt habend, nicht so aussehend, wie es sein soll

Herkunft:

etymologisch: mittelhochdeutsch ungeschaffen in den Bedeutungen [1] und [3][1], von althochdeutsch ungiscaffan[2]
strukturell: aus dem Präfix un- und dem Adjektiv geschaffen

Synonyme:

[1] unerschaffen
[3] ungefügt, missgestaltet

Gegenwörter:

[1, 2] geschaffen, erschaffen

Oberbegriffe:

[1] existierend, da seiend
[3] unvollkommen

Beispiele:

[1] „Thomas von Aquin thematisierte die Gnade im Zusammenhang mit der Sehnsucht nach Gottes Gemeinschaft und unterschied ungeschaffene Gnade (gratia increata – in Gott selbst bestehend und ohne einen zeitlichen Anfang) und geschaffene Gnade (gratia creata – eine von Gott geschenkte übernatürliche Gabe oder Wirkung Gottes und mit einem zeitlichen Anfang) gegenüber dem Menschen,[…]“[3]
[1] „Die göttlichen Energien […] sind keine Mittler […] zwischen Gott und uns […], sondern sind ungeschaffen und untrennbar vom göttlichen Wesen.“[4]
[1] „Denn die Leibnizsche Auffassung […] wurzelt […] in der Wesens-Identität, welche Leibniz zwischen den sogen. ‚geschaffenen‘ Monaden und Gott als der ungeschaffenen, absoluten Monade ansetzt, […]“[5]
[1] „Dann hat Ashʿarî der richtigen Definition des Korans als seiner Ansicht nach zugleich geschaffener und ungeschaffener Botschaft zum Siege verholfen; […]“[6]
[2] „Das konkrete Ding, das noch ungeschaffen ist, ist als solches die reine Möglichkeit, zu allem zu werden.“[7]
[2] „[Der Teufel] unterzog die schon vorhandenen Geschöpfe einer genauen Prüfung und fand dabei heraus, daß die Ziege noch ungeschaffen wäre.“[8]
[2] „Als die Welt noch ungeschaffen war mit ihrem Wesen in dem Vater war, da war das Licht […] mit ihrem [der Welt] Blicke auf die Wesenheit der Welt gerichtet, […]“[9]
[2] „Von den vier [in Timaios] 39 E 7 ff. genannten Arten von Lebewesen sind bis Tim. 41 B nur die Götter geschaffen worden, die übrigen Arten sind noch ungeschaffen […].“[10]
[2] „[…] man wollte das Werk einem andern Künstler zuwenden, zahlte Pilz den ihm zuerkannten Preis, und erhielt von dem auserwählten Künstler jenes omineuse ‚Gänsemädchen‘, das besser ungeschaffen geblieben wäre;“[11]
[3] „[die Schmiedin und ihre Schnur[12]] sahen die Alte heulend und maulend ganz zusammen geschnurrt im Trog liegen, das Angesicht gerunzelt, gefaltet und ungeschaffen.“[13]

Charakteristische Wortkombinationen:

[1] ungeschaffenes/Ungeschaffenes Licht (Taborlicht)

Wortbildungen:

Ungeschaffenes, Ungeschaffenheit

Übersetzungen Bearbeiten

[*] Wikipedia-Suchergebnisse für „ungeschaffen
[*] Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache – Korpusbelege [dwdsxl] Gegenwartskorpora mit freiem Zugang „ungeschaffen
[1, 3] Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. 16 Bände in 32 Teilbänden. Leipzig 1854–1961 „ungeschaffen

Quellen:

  1. Benecke/Müller/Zarncke: Mittelhochdeutsches Wörterbuch „ungeschaffen
  2. Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. 16 Bände in 32 Teilbänden. Leipzig 1854–1961 „ungeschaffen
  3. Wikipedia-Artikel „Gnade: Mittelalter
  4. Sorin Brandiu: Versöhnung und Vergöttlichung. Sündenbekenntnis und Mysterium der Sündenvergebung in der rumänisch-orthodoxen Theologie. Friedrich Pustet, Regensburg 2016, ISBN 978-3-7917-7117-5, Seite 77, DNB 1096119730 (online: Google Books, abgerufen am 1. August 2023).
  5. Theodor Weber: Metaphysik. Eine wissenschaftliche Begründung der Ontologie des positiven Christentums. Erster Band, Friedrich Andreas Perthes, Gotha 1888, Seite 108 (online: Google Books, abgerufen am 1. August 2023).
  6. Frithjof Schuon: Christentum – Islam. Ausblicke auf eine esoterische Ökumene. 1. Auflage. tredition, Hamburg 2018 (Originaltitel: Christianisme/Islam. Vision d’Œcuménisme ésotérique, übersetzt von Wolf Burbat), ISBN 978-3-7469-5731-9, DNB 1204787042 (online: Google Books, abgerufen am 1. August 2023).
  7. Marco Bormann: Notizen zur Idealistischen Metaphysik.. Band IV. Frühe Christen, Aristoteliker und Mittelplatoniker. Band IV, Books on Demand, Norderstedt 2013, ISBN 978-3-7322-7989-0, Seite 46, DNB 1042319448 (online: Google Books, abgerufen am 1. August 2023).
  8. Luise Bernhardi: Die Geisterwelt. Eine Schatzkammer des Wunderglaubens. 1. Auflage. Books on Demand, Norderstedt 2021, ISBN 978-3-7543-4357-9, Seite 16, DNB 124190801X (online: Google Books, abgerufen am 1. August 2023).
  9. Adolf Lasson: Meister Eckhart, der Mystiker. Zur Geschichte der religiösen Speculation in Deutschland. Wilhelm Hertz, Berlin 1868, Seite 129 (online: Google Books, abgerufen am 1. August 2023).
  10. Matthias Baltes: Die Weltentstehung des platonischen Timaios nach den antiken Interpreten. Teil 2. Proklos. Brill, Leiden 1978, ISBN 90-04-05799-4, Seite 117, DNB 790268922 (online: Google Books, abgerufen am 1. August 2023).
  11. Constant von Wurzbach: Pilz, Vincenz. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Band 22, Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1870, Seite 311 (online: Wikisource, abgerufen am 1. August 2023).
  12. Schwiegertochter
  13. Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: 61. Das junggeglühte Männlein. In: Kinder- und Haus-Märchen. Große Ausgabe. 1. Auflage. Band 2, Realschulbuchhandlung, Berlin 1815, Seite 288 (online: Wikisource, abgerufen am 1. August 2023).